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1933-1939

Die kirchlichen Neuwahlen im Herbst 1932 versprachen eine befriedete Weiterentwicklung des kirchlichen Lebens. Doch in den gewaltigen Umbruch unseres Volkes 1933 wurde auch die Kirche mit hineingezogen. Neue Kirchenwahlen wurden angeordnet. Da nur eine Liste „Deutsche Christen" eingereicht war, wurden das gesamte Presbyterium und die gesamte kirchliche Gemeindevertretung mit Deutschen Christen besetzt. Nur die beiden Pfarrer schlossen sich den Deutschen Christen nicht an. Die Leitung der Ortsgruppe „Deutsche Christen" im Presbyterium beschritt in Anwendung des politischen Führerprinzips und durch Feststellung der Beschlüsse vor den Presbytersitzungen einen kirchlich unmöglichen Weg. Für geistliche Leitung und presbyteriale Zusammenarbeit brachte sie kein Verständnis auf.

So kam es dann zu schweren Zusammenstößen und im Oktober 1934 zum völligen Bruch mit den Pfarrern, die keine Presbytersitzungen mehr einberiefen. Wohl fassten die Deutschen Christen ohne die Pfarrer in eigenen Sitzungen Beschlüsse, die aber vom Konsistorium als illegal (ungesetzlich) bezeichnet wurden.

Erst im Oktober 1934 kam es seitens derjenigen Kreise, die auf dem Boden von Bibel und Bekenntnis standen, zur Organisierung einer Ortsgruppe der „Bekennenden Gemeinde", die bald rund 1400 Mitglieder umfasste und damit eine erdrückende Mehrheit gegenüber der klein gebliebenen Gruppe der „Deutschen Christen" darstellte. Da der „Bekennenden Gemeinde" das Gustav-Adolf-Haus von den Deutschen Christen geschlossen wurde, fand ihre Gründung in der Kirche statt, wo Pfarrer Schloemann, Bochum-Werne, sprach, der früher in Radbod Hilfsprediger war. Noch weitere vollbesuchte Versammlungen der Bekennenden Gemeinde wurden im Saal des Gemeindegasthauses Schick abgehalten, bis dann wieder das Gustav-Adolf-Haus zur Verfügung stehen konnte. Ein Bruderrat wurde gebildet zur Wahrnehmung der geistlichen Angelegenheiten der Bekennenden Gemeinde: Schlosser Brundert, Invalide Malessa, Lehrer Schäl, Invalide Süberg.

Am 1. November 1935 setzte die staatliche Finanzabteilung beim Konsistorium den kaufmännischen Beamten der Zeche, Walter Faber, als Finanzbevollmächtigten der evangelischen Kirchengemeinde Radbod ein. Herr Faber, der zugleich Rendant der Kirchenkasse ist, übt in praktischer Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Vorsitzenden des Presbyteriums die Finanz-, Vermögens- und Verwaltungsgeschäfte der Gemeinde aus. Presbytersitzungen finden nicht mehr statt.

Im Laufe der Zeit ist durch diese Entwicklung langsam eine Befriedung und Klärung im kirchlichen Gemeindeleben eingetreten. Die Deutschen Christen benutzen die Kirche für eigene Gottesdienste, die alle paar Wochen mal stattfinden, sie sammeln sich mit ihrem „Frauendienst" und ihrem jetzt nicht mehr bestehenden Männerwerk im Gustav-Adolf-Hause.

Zu den Gottesdiensten der beiden Pfarrer und ihren Amtshandlungen halten sich die Glieder der Bekennenden Gemeinde und die zahlreichen Nicht-Organisierten. So ist ein schiedlich-friedliches Nebeneinanderarbeiten der beiden kirchlichen Gruppen zum Besten der Gesamtgemeinde möglich geworden.

1937 flammte allerdings noch einmal ein neuer Schulkampf auf: es sollten die beiden evangelischen Schulen zu „Gemeinschafts"- bzw. „deutschen Schulen" umgewandelt werden. Der Kampf endete damit, daß der ursprüngliche Stand wiederhergestellt wurde: Die Schulen in Radbod bleiben konfessionelle, für uns also evangelische Schulen.

Die Kampfzeit ist für die Gemeinde aber auch nicht ohne Segen geblieben. 1933/34 erfolgten zahlreiche Kircheneintritte von Ausgetretenen, die in feierlichem Gottesdienst von der Gemeinde wiederaufgenommen wurden. Die Glieder der kirchlichen Vereine rückten nach dem Ausscheiden der Deutschen Christen enger zusammen. Der Vereinscharakter wurde mehr und mehr abgestreift. Die Frauenhilfe, der Männerdienst, die Jugendgemeinde sind Gliedschaften der Gesamtgemeinde. Da die soziale Fürsorge und die Pflege von Turnen und Sport ausschließlich Angelegenheiten des Staates geworden sind, wurden die Kräfte der Kirche frei für die Pflege ihrer eigentlichen kirchlichen Dinge. Vertiefung und Verinnerlichung bahnen sich an. Freizeiten der Frauenhilfe, des Männerdienstes, der Jugendvereine im Gustav-Adolf-Hause haben nach 1933 wesentlich zur Vertiefung und Belebung beigetragen.

Im Wittekindsblock stellte die Zeche einen Raum zur Abhaltung von Bibelstunden zur Verfügung. Die Zahl der Abendmahlsgäste ist im allmählichen stetigen Zunehmen. Die Gebefreudigkeit ist gestiegen, besonders für die Heidenmission und den Gustav-Adolf-Verein. Missionsfeste finden seit 1931 alljährlich statt; ein Missionsfreundeskreis und ein Gustav-Adolf-Vereinsfreundeskreis haben sich gebildet, keineswegs beschränkt auf die Glieder der Bekennenden Gemeinde. In den letzten Jahren ist auch die vierzehntägliche Tauffeier im Gottesdienst der Gemeinde eine gern gesehene Sitte geworden. Die Osterfeier am frühen Morgen des ersten Ostertages auf dem Bockumer bzw. Höveler Friedhof und die Gedächtnisfeiern der Gemeinde am Totensonntag am Ehrenmal und auf dem Bockumer und Höveler Friedhof haben sich als feste Sitte durchgesetzt.

Im Herbst 1938 konnte ein alter Wunsch der Gemeinde in Erfüllung gehen: die Neuausmalung des Kircheninnern durch die Kirchenmalerin Hilde Viering, Düsseldorf. Warme, harmonisch abgestimmte Farben leuchten jetzt dem Kirchbesucher entgegen. Im Chorbogen grüßt der alte Spruch Johannes 3, Vers 16, der bisher die Seitenemporen ausfüllte. An Stelle des Altarbildes ist ein schlichtes Holzkreuz getreten. Schmiedeeiserne künstlerisch geformte Leuchter auf dem Altar und an den Seitenwänden des Altarraumes fügen sich gut ein. In der Kuppel oben reden die Wesensbilder der vier Evangelisten ihre symbolhafte Sprache. Auch der Konfirmandensaal, die Sakristei und die Fahrradkammer, letztere beiden miteinander vertauscht, sind in die Neuausmalung sinnvoll miteinbezogen.

Die Kommune Radbod besteht aus 98 Prozent Bergleuten, die gottlob seit der Machtübernahme des Dritten Reiches fast alle wieder im Arbeitsprozeß stehen. Ein dritter Schacht, der Winkhausschacht, ist 1937 abgeteuft und in Betrieb genommen. Unsere evangelische Kirchengemeinde hat nun 6500 Seelen. Sie ist Diasporagemeinde. Diaspora heißt Same; Same aber muß widerstandshart sein, um durchzubrechen zum Fruchtbringen. Möge unserer evangelischen Kirchengemeinde auch für die Zukunft die Widerstandskraft jenes Friesenfürsten Radbod beschieden sein, nun allerdings Widerstandskraft zur Bezeugung des Evangeliums, das eine Kraft Gottes ist, selig zu machen alle, die daran glauben!

Erwin Lorentz

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